Aktuelles

Pressemitteilung des Landesbehindertenrates Hessen zum europäischen Protesttag am 5. Mai zur Gleichstellung behinderter Menschen


Traditionell finden anlässlich des europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5.Mai Aktionen, Demonstrationen und Feiern statt. Doch in diesem Jahr trauert der Landesbehindertenrat Hessen um die Opfer der Gewalttat am 28. April in Potsdam. Eine Mitarbeiterin eines Behindertenheimes in Potsdam hatte vier behinderte Heimbewohner*innen ermordet und eine Heimbewohnerin schwer verletzt. "Der Landesbehindertenrat Hessen ist entsetzt und schockiert über dieses Verbrechen", so die Vorsitzende des Rates, Naxina Wienstroer.

Medien berichteten, so Wienstroer weiter, die Aufsichtsbehörde habe die Einrichtung einen Tag vor der Gewalttat überprüft. "Behinderte Menschen leben in Einrichtungen, fühlen sich mehr oder weniger wohl dort und auch vermeintlich sicher. Wie sicher können Menschen mit Behinderung in Heimen aber überhaupt sein?"

Das Verbrechen von Potsdam ist Teil einer Reihe von Verbrechen an behinderten und kranken Menschen in stationären Einrichtungen, bei denen Pfleger*innen die Täter*innen und behinderte und kranke Menschen die Opfer sind. 2019 wurde der Krankenpfleger Niels Högel vom Landgericht Oldenburg wegen 85 Morden an Kranken verurteilt. Gegen zahlreiche Mitarbeiter*innen in einem Pflegeheim für Menschen mit Behinderungen in Bad Oeynhausen ermittelte die Staatsanwaltschaft Anfang des Jahres wegen Körperverletzung, illegaler Fixierung und anderer Misshandlungen. Meist bleibt aber die alltägliche Gewalt gegen behinderte Menschen in stationären Einrichtungen unsichtbar. Es sind die dort gegebenen Strukturen, die durch eine weitgehende Abhängigkeit vom pflegenden Personal und defizitären Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Heimbewohner*innen geprägt sind, die gewalttätiges Verhalten gegen behinderte Menschen befördern. Hinzu kommt, dass die Beschwerden Betroffener häufig nicht ernst genommen werden oder viele behinderte Menschen nicht in der Lage sind, sich zu wehren.

Der Landesbehindertenrat Hessen fordert mehr Gewaltschutz für behinderte Menschen vor allem in stationären Einrichtungen und sieht im Potsdamer Serienmord den Ausdruck einer massiven Behindertenfeindlichkeit. Eine behindertenfeindliche Haltung zeige sich auch, so Naxina Wienstroer weiter,

in der dürftigen und meist marginalen Darstellung des Verbrechens in den Medien. "Der Landesbehindertenrat Hessen kritisiert, dass die Berichterstattung die Opfer dieses Gewaltverbrechens nur unzureichend in den Fokus nimmt. Sie haben kein Gesicht. Wer waren die Ermordeten? Wie haben sie gelebt? Wie hätte das Verbrechen in Potsdam verhindert werden können?", so Wienstroer.

Anlässlich des europäischen Protesttages fordert der Landesbehindertenrat Hessen die Verbesserung der Lebensbedingungen behinderter Menschen. Statt Menschen mit Behinderungen in Heimen unterzubringen, müssen ambulante Unterstützungsstrukturen sehr viel stärker gefördert werden als bisher. „Damit behinderte Menschen vor Gewalterfahrungen in ihrem direkten Lebensumfeld stärker geschützt werden, braucht es mehr barrierefreien Wohnraum, und die ambulanten Strukturen müssen flächendeckend etabliert werden", erläuterte die Landesbehindertenratsvorsitzende abschließend.

Der Landesbehindertenrat Hessen trauert um die vier getöteten Menschen und spricht den Angehörigen sein Beileid aus.

Kontakt:
Gabriele Naxina Wienstroer
Festnetz: 06421 162342
Mobil: 0174 8533 043

naxina-wienstroer@fib-ev-marburg.de
naxina@gmx.net